Newsletter Fraunhofer SCS ─ Ausgabe März 2015

Ist der günstigste Transportdienstleister auch der wirtschaftlichste?

Wie ein Chemieunternehmen aus Südbayern sein Belieferungskonzept bei der Transportausschreibung unter Beachtung von Transportkennzahlen optimierte.

 

Bei Ausschreibungen von Transportdienstleistungen gilt es nicht nur Frachtkosten zu minimieren, vielmehr ist der Stellhebel für Kosteneinsparungen ein einfaches und klares Belieferungskonzept, das den operativen Arbeitsaufwand zur Steuerung der Transportlogistik verringert und gleichzeitig die Qualität der Transportdienstleistungen erhöht. Für ein weltweit führendes Chemieunternehmen aus Südbayern ermittelte Fraunhofer SCS im Rahmen einer Transportausschreibung mithilfe eines Optimierungsmodells die optimale Logistikdienstleisterkombination für Silo-Transporte in Europa. Dabei wurden Transportkennzahlen wie die maximale Anzahl an Dienstleistern pro Land und die Minimal- und Maximaltonnage pro Dienstleister berücksichtigt. Mit diesem Ansatz gelang es, ein stabiles Belieferungskonzept in der Distribution zu schaffen.

Die Kombination macht`s: Überprüfung von Belieferungskonzept und Ausschreibungsunterstützung

Eine Transportausschreibung bietet Gelegenheit, das aktuelle Belieferungskonzept zu optimieren. Das Chemieunternehmen wollte das Warenempfänger bezogene Belieferungskonzept organisatorisch vereinfachen. Hierfür wertete Fraunhofer SCS auf Basis von Sendungsdaten die aktuelle Transportstruktur aus, stellte diese dar und ermittelte kurzfristige Potenziale für eine Verringerung der Transportkosten mittels

  • eines Fahrzeugkosten-Frachtkostenvergleichs und
  • eines Frachtratenvergleichs von Transportdienstleistern auf ähnlichen Relationen.

Es folgte ein Vorschlag für ein neues strategisches Belieferungskonzept: die Einführung eines Gebietsspediteurkonzepts. Hierbei ist ein Dienstleister für alle Kunden in einem Gebiet zuständig; der Dienstleister verfügt über regelmäßige Relationen und kann attraktive Frachtpreise anbieten. Im Rahmen der Transportausschreibung prüfte Fraunhofer SCS die Ausschreibungsunterlagen, d. h. inwiefern die wichtigen Kriterien abgefragt wurden. Hierfür war ein Vergleich mit den Unterlagen anderer Unternehmen ebenso entscheidend. Auf Basis der Offerten wurden die Tarife modelliert und die Frachtkosten berechnet.

Günstig ist nicht immer gleich wirtschaftlich

Vergibt ein Unternehmen seine Transporte stets an den günstigsten Logistikdienstleister, so kann es zwar die Frachtkosten verringern. Tendenziell steigt aber die Anzahl an Transportdienstleistern; gleichzeitig ist der operative Steuerungsaufwand für Vertragsgestaltung sowie Abrechnung und allgemeine Koordination aufgrund vieler Ansprechpartner sehr hoch. Tatsächlich wählen viele Unternehmen aus Industrie und Handel diesen Ansatz: Logistikdienstleister erhalten die Transportrelationen, auf welchen sie den günstigsten Frachtpreis gegenüber Wettbewerbern bieten.

Wirtschaftlich ist eine Transportvergabe jedoch nur dann, wenn die Gesamtkosten der Transportlogistik minimal sind: Dazu zählen neben den Frachtkosten – die etwas höher liegen können als minimal möglich – auch der interne Aufwand der beteiligten Mitarbeiter. Zudem sollten die Transporte verlässlich und in guter Qualität getätigt werden. Hilfreich ist bei der Konfiguration eines stabilen Belieferungskonzepts die Berücksichtigung von Transportkennzahlen.

Berücksichtigung von Transportkennzahlen bei der Ermittlung des Dienstleistermixes

Fraunhofer SCS hat ein mathematisches Kombinatorik- und Optimierungsmodell entwickelt, bei dem Transportkennzahlen jeglicher Art zur Ermittlung der optimalen Dienstleisterkombination berücksichtigt werden. Mittels Szenariotechnik werden abhängig vom jeweils vorangegangenen Ergebnis individuell einzelne Parameter neu eingestellt. Als sinnvoll erwiesen sich hier ca. 5-7 Szenarienberechnungen. Als Transportkennzahlen können Kriterien und deren Werte kundenindividuell festgelegt werden, wie:

  • Anzahl der Dienstleister, die pro Land in Europa eingesetzt werden
  • Tonnage, die ein Dienstleister pro einzelnem Land minimal und maximal erhalten soll
  • Produktübergreifende oder produktseparate Vergabe der Relationen an Dienstleister
  • Nachbarschaftskriterien, die für die Bildung kompakter Dienstleistergebiete sorgen
  • Kombinierte Gebietsvergabe: Der Verlader erhält vom Dienstleister einen reduzierten Kombifrachtpreis bei Zuschlag für zwei Ausschreibungsgebiete, anstelle der getrennten Vergabe an zwei Dienstleister

Neues Belieferungskonzept für das Chemieunternehmen

Die Vergabe an den stets günstigsten Transportdienstleister hätte bei dem Chemieunternehmen Transportkosten im niedrigen zweistelligen Prozentbereich eingespart. Allerdings wären dann in Deutschland bis zu 15 und in ganz Europa 25 unterschiedliche Transportdienstleister für das Unternehmen gefahren. Ein einzelner Dienstleister hätte einen Anteil von 0,1 bis 100 Prozent an der Gesamttonnage eines einzelnen Landes erhalten. Bei einem marginalen Anteil eines Dienstleisters an der Gesamttonnage stehen die Einsparungen der Frachtkosten in keinem Verhältnis zum Mehraufwand für die interne Koordination. Vor allem bei der Vergabe aller Aufträge eines Landes an einen einzigen Dienstleister sollte der Zuschlag nicht an den billigsten, sondern einen verlässlichen und bewährten Dienstleister gehen.

Das schließlich umgesetzte Gebietsspediteurkonzept sah eine Reduzierung der Transportkosten von 4 Prozent vor. Das Belieferungskonzept ist schlank und lässt sich durch die Mitarbeiter gut steuern: Maximal sieben Logistikdienstleister pro Land und eine ausgeglichene Tonnageverteilung. Hierbei konnten Sonderbelieferungskonzepte für spezielle Kunden in der Software abgebildet, sowie neben Landfracht auch Anbieter für Intermodalverkehre ausgewiesen werden. Fraunhofer SCS lieferte dazu Auswertungen, Übersichten und Handlungsempfehlungen.

Regelmäßige Überprüfung sichert Qualität

Nur eine regelmäßige, idealerweise halbjährliche Überprüfung des entwickelten Belieferungskonzepts sichert eine optimale Umsetzung in der Praxis. Hierfür werden die jeweils aktuellen Sendungsdaten ausgewertet und die Kennzahlen des Soll-Belieferungskonzepts mit dem Ist-Stand des Auswertungszeitraums durch die Software der Fraunhofer-Arbeitsgruppe SCS verglichen. So ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung des entworfenen Belieferungskonzepts in der Praxis möglich.