Um wettbewerbsfähig zu bleiben spielt die Entwicklung von Innovationen bei Unternehmen eine essentielle Rolle. Doch oft haben die eigenen Mitarbeiter einen zu unternehmensbezogenen Blickwinkel, der das kreative Ideensammeln hemmt. Loslassen können, Ungewöhnliches denken, unvoreingenommen an Neues herangehen – das alles ist im Tagesgeschäft nur schwer zu realisieren: Damit stellt die Phase der Ideengenerierung bei Unternehmen oft einen Engpass dar.
Seit ca. 10 Jahren suchen Unternehmen mit der Methode des »Open Innovation« neue kreative Wege für die Ideengewinnung. Unter »Open Innovation« versteht man Innovationsprozesse, die nicht an den Grenzen von Unternehmen oder deren Innovationsabteilungen enden, sondern Akteure unabhängig von deren institutioneller Zugehörigkeit in die Gestaltung von Innovationen einbinden. Und das können durchaus auch ungewöhnliche Akteure sein, an die Unternehmen nicht sofort denken würden – zum Beispiel Gefängnisinsassen.
Im Projekt »SecondLife Solutions« der Fraunhofer SCS, das 2012 gestartet ist, sollen Gefängnisinsassen in die Entwicklung von Dienstleistungen einbezogen werden. Dies birgt zum einen die Chance, außergewöhnliche Blickwinkel auf bestimmte Themenstellungen zu erhalten. Zum anderen fördert das Projekt durch seine kreativen Anforderungen die Menschen selbst, die sonst eher durch einen klar strukturierten, mitunter eintönigen Alltag geprägt sind. So gewinnen beide Seiten: Die Unternehmen müssen weniger Mitarbeiter für den Kreativprozess freistellen und können neue »Think Tanks« mit heterogenem Betrachtungswinkel erschließen; die beteiligten Insassen erfahren kreative und gesellschaftliche Förderung.
Im Pilotprojekt wurde in Form eines Service-Design-Workshops in der Justizvollzugsanstalt St. Georgen-Bayreuth ein Testlauf durchgeführt. Dieser Testlauf sollte zeigen, ob die Idee des kreativen Einbindens von Gefängnisinsassen genug Potenzial für die Umsetzung in der Praxis birgt. Unter Moderation von Fraunhofer-Experten wurden dazu neun Gefängnisinsassen angeregt, Ideen zu sammeln, wie man einen Großbahnhof attraktiver gestalten kann und diese zu marktfähigen Angeboten weiter zu entwickeln. Aus dem Workshop gingen zwei Dienstleistungskonzepte unter dem Motto »Digitalisierung« und »Wohlfühlen im Grünen« hervor, welche besonders auf aktuelle Kundenbedürfnisse wie effiziente Reiseorganisation und Erholung in Stresssituationen abzielen. Die beiden Konzepte gingen in eine Machbarkeitsstudie ein, anhand derer die zukünftige Förderung des Projektes entschieden wird.
Im Hinblick auf »Service Design« ist es ein zentraler Aspekt, die Perspektive des Kunden einzunehmen, um Lösungen zu visualisieren, zu formulieren und nachzubilden. Dabei fallen Lösungen umso besser aus, je heterogener die einbezogenen Kundenperspektiven sind. Unternehmen sollten deshalb für jeden Blickwinkel offen sein.