»Schlanke Logistik ist heute aktueller denn je.«

Dr. Julia Boppert im Interview über das Seminar »Planung und Steuerung schlanker Logistiksysteme« und Ihre Rolle als Dozentin

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Dr. Julia Boppert

Liebe Julia, Du engagierst dich im Masterstudiengang Logistik und Supply Chain Management als Dozentin des Seminars PLAS »Planung und Steuerung schlanker Logistiksysteme« und warst in der Vergangenheit auch als Tutorin in diesem Modul tätig. Wenn die Studierenden nach ihrem Abschluss an das Seminar zurückdenken, an was sollen sie sich erinnern? Was möchtest Du ihnen konkret im Seminar mitgeben?

Dr. Julia Boppert: Ich würde mir wünschen, dass die Studierenden nicht nur für ihr Studium oder ihren Studienabschluss, sondern auch für ihr sonstiges berufliches und privates Leben etwas aus dem Seminar mitnehmen. Es wäre toll, wenn sie verstehen, wie viel Spaß Lean Management macht und dass es nahezu immer und überall Anwendungsmöglichkeiten gibt, wenn man mit den richtigen Prinzipien darangeht.

Die Inhalte des PLAS Seminars stammen aus unserer Fraunhofer-Schulungsreihe »Lean Logistics«, die wir gemeinsam vor etwa 10 Jahren speziell für die Bedarfe in der Logistik konzipiert haben. Was ist das Erfolgsgeheimnis dieses Schulungsprogramms? Und warum sind die Themen der schlanken Logistik auch heute noch brandaktuell?

Dr. Julia Boppert: Ich denke, was unsere Schulungen besonders auszeichnet, ist die Kombination aus Theorie, Planspielen und praktischer Anwendung. Viele Teilnehmende geben uns als Feedback, dass gerade dieser Mix bei ihnen ein nachhaltiges Umdenken, ein tiefes Verständnis und ein intensives Verinnerlichen der Lerninhalte bewirkt. Sicher haben unsere Schulungen auch durch unsere Fokussierung auf Logistik nochmals eine andere Sichtweise, die in anderen Seminaren so nicht adäquat berücksichtigt wird. Und letztens gelingt uns durch unseren Schulungsaufbau auch immer wieder der offene und kooperative Austausch zwischen den Teilnehmenden, ihren Unternehmen und auch unseren Praxispartnern, bei denen wir mit unseren Schulungsgruppen vor Ort sein dürfen.

Schlanke Logistik ist heute aktueller denn je. Das merken wir an allen Problemen, die wir heute in den Lieferketten finden. Gerade wenn unsere weltweiten Netzwerke nicht mehr so funktionieren, müssen wir uns mit guten, aufeinander abgestimmten Prozessen beschäftigen und in der Regel erreichen wir diese durch eine gute und schlanke Logistik.

Unsere Seminarteilnehmenden in PLAS sowie unsere Teilnehmenden der »Lean Logistics«-Schulungsreihe lassen sich gerne von Deiner Begeisterung für schlanke Prozesse in Produktion und Logistik anstecken. Was fasziniert Dich persönlich an den Methoden des Lean Managements?

Dr. Julia Boppert: Ich glaube, die besondere Faszination, die Lean für mich bedeutet, kommt daher, mit wie wenig man wie viel schaffen kann – wenn man die richtigen Fragen stellt, die richtigen Schlüsse zieht und diese konsequent verfolgt. So kann man nicht nur gute, erfolgreiche Prozesse realisieren, sondern auch Mitarbeitende und Führungskräfte in ihrer täglichen Arbeit zufrieden machen. Vielleicht kommt das auch aus meiner Ausbildung: Wir Ingenieure lieben es ja, wenn alle Rädchen gezielt ineinandergreifen und dadurch scheinbar mühelos Dinge im Fluss sind. Und genau das gelingt auch bei einer guten Lean-Implementierung: Leistung entsteht scheinbar mühelos und alles ist im Fluss!

Du hast in Deiner etwa 15-jährigen Tätigkeit als Lean-Beraterin schon viele Logistiklager gesehen. Kannst Du einschätzen wie viele das in Summe etwa waren? Worauf achtest Du bei deiner ersten Begehung eines Lagers? Was sticht Dir dabei häufig ins Auge? Gibt es offensichtliche Probleme, die alle Logistik- und Produktionslager gleichermaßen teilen?

Dr. Julia Boppert: Das ist eine echt schwierige Frage – ich habe nie gezählt, aber ich denke, es werden in den vergangenen Jahren schon an die 300 Logistikumgebungen sein… Wenn ich in ein neues Lager komme, achte ich immer auf die Menschen, die dort unterwegs sind (selbst in automatisierten oder teil-automatisierten Systemen): Wie agieren sie? Wie kommen sie zurecht? Wobei kommen sie ins Stocken oder Überlegen? Daran kann man meist gut festmachen, wo man genauer hinsehen muss, wo sich Probleme abzeichnen. Ganz häufig liegen diese in der übergreifenden Steuerung der Abläufe – und das muss noch gar nicht durch das IT-System allein bedingt sein. Teils werden Aufträge nicht sinnvoll eingesteuert, so dass die Einzelprozesse nicht gut zusammenarbeiten können, teils erhalten die Mitarbeitenden nicht die Informationen, die sie eigentlich benötigen. In jedem Fall erkannt man, dass die Mitarbeitenden – und damit oft auch die Aufträge – nicht im Fluss sind.

Gemeinsam mit der Messe München hast Du für die diesjährige transport logistic die Session »Liebe Logistiker*innen: Wir müssen reden!« initiiert. Warum liegt Dir die Förderung weiblicher Nachwuchskräfte in der Logistik am Herzen?

Dr. Julia Boppert: Ich stelle immer häufiger fest, dass es heutzutage zum Glück in den Studiengängen viel mehr Frauen gibt als noch zu der Zeit, in der ich Logistik studiert habe. Wenn ich mir dann aber Fotos von Vorständen oder logistischen Veranstaltungen ansehe, frage ich mich oft, wo all diese Frauen sind, die ein Studium begonnen haben. Da ich finde, dass die Logistik eine wunderschöne Aufgabe, besonders für Frauen, ist, würde es mich freuen, wenn es uns mit dieser Veranstaltung gelingt, junge Logistiker*innen, auch wenn sie später Familie haben, dazu zu motivieren, in der Logistik zu bleiben und diese weiter voran zu bringen.

Würdest Du uns zum Schluss einen kleinen privaten Einblick gewähren und uns verraten wie »schlank« Du dich im Privaten organisierst? Vielleicht hast Du für mich und unsere Studierenden ein paar Tipps »lean@home«?

Dr. Julia Boppert: Ich bin im Privatleben meistens auch gut organisiert, d.h. ich nutze all die guten Methoden und Vorgehensweisen aus Lean auch gerne privat. So braucht es für mich für bestimmte Sachen definierte Ablageplätze, wie wir es z.B. aus der Methode 5S kennen, oder ich habe in unserem Haushalt ein Kanban-System für Milch eingeführt, damit diese nicht ausgeht. Wenn ich allerdings am Wochenende zuhause bin und entspanne, dann bin ich auch mal ganz bewusst nicht »schlank« und laufe z.B. auch fünfmal in die Küche – ohne genau zu wissen warum. 😊

 

Das Interview wurde geführt von Christina Waibel, Projektleiterin der Studiengangskooperation im Masterstudiengang »Logistik und Supply Chain Management« an der Euro-FH.