Mit Wissensgraphen und Machine Learning Ausfälle in der industriellen Fertigung vermeiden

»Knowledge Graphs«: Wissensgraphen im Kontext von Industrie 4.0

Foto zum Projekt Vernetzte industrielle Schaltschrankplanung, -Bau und -Service 4.0
© Fraunhofer IIS

Industrie 4.0 steht für die Digitalisierung der industriellen Produktion durch den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien in allen Bereichen der Wertschöpfungskette. Die digitale Fabrik von morgen soll unter anderem in der Lage sein, sich selbstständig zu organisieren und autonom auf unvorhergesehene Ereignisse wie z. B. Störungen zu reagieren.

Das erfordert unter anderem ein effizientes (Unternehmens-)Datenmanagement, um die miteinander verknüpften Daten aus unterschiedlichen Quellen (»Datensilos«) analysieren zu können. Hier bieten Wissensgraphen einen neuen Ansatz, um Wissensrepräsentation und Datenintegration miteinander zu kombinieren. Die Verknüpfung von Domänenwissen, Unternehmensdaten und externen Daten in einem sog. »Knowledge Graph« schafft die benötigte Grundlage für die Analyse der Daten – zum Beispiel für die Datenanalyse mit Machine Learning. Wissensgraphen und Graph-Datenbanken werden also zunehmend auch in industriellen Anwendungen eingesetzt.

Vision: Digitale Fabrik mit Wissensgraphen

Eine industrielle Anlage wie z. B. eine Produktionsmaschine kann auf Basis des hinterlegten Domänenwissens und des Faktenwissens, das aus Sensormesswerten gewonnen wird, auf den Betriebszustand der Anlage schließen. Auf Basis des Wissens über die Zustände und Zustandsübergänge in der Anlage können dann entsprechende Korrekturmaßnahmen schlussgefolgert werden. Die Produktionsmaschine ist somit in der Lage, Störungen autonom zu erkennen und Handlungen zur Behebung anzustoßen. Wissensgraphen sind damit ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zur Realisierung der Vision der digitalen Fabrik.

Beispielprojekt »Vernetzte industrielle Schaltschrankplanung, -Bau und -Service 4.0 – ISW4WBS«

Im Projekt »Vernetzte industrielle Schaltschrankplanung, -Bau und -Service 4.0 – ISW4WBS« haben wir nun Wissensgraphen bei der automatisierten Produktion von Schaltschränken erprobt: Denn in der industriellen Produktion, insbesondere bei der robotergestützen Montage, ist es notwendig die richtigen Teile zur richtigen Zeit bereit zu stellen, um Ausfälle und Verzögerungen zu vermeiden. Dabei ist eine relevante Fehlerquelle bei der automatisierten Produktion von Schaltschränken der Magazinturm, der für die Teilebereitstellung bei der robotergestützten Montage von Hutschienen verantwortlich ist. Fehlfunktionen können sich hier langsam entwickeln, z. B. durch Verschleiß, oder auch akut auftreten, z. B. bei Verklemmungen. Intelligente Softwaresysteme, die auf Wissensgraphen und KI-basierte Datenanalyse mit Machine Learning basieren, können helfen, mögliche Fehlerzustände und drohende Ausfälle zu erkennen und Handlungsempfehlungen zu erstellen, um die kostspieligen Ausfallzeiten zu verhindern.

Dafür wurden in »ISW4WBS« die Wissensgraphen und Machine Learning-Verfahren zur besseren Produktionsüberwachung eingesetzt und neu entwickelte Systeme in verschiedenen Demonstratoren erprobt, um so die Lücke zwischen Theorie und Praxis zu schließen.

Demonstrator: Anbindung eines Web-basierten Softwaresystems an eine Produktionsmaschine

Der mobile Demonstrator, der im Projekt entwickelt wurde, ist ein physischer Zwilling eines Magazinturms zur Teilebereitstellung, wie er in der roboterbasierten Hutschienenmontage bei der Mangelberger Elektrotechnik GmbH eingesetzt wird. Die Beladung bzw. Last der Teilemagazine wurde durch eine pneumatische Bremse ersetzt, sodass verschiedene Betriebszustände simuliert werden können.

Der Demonstrator bildet mit seinem Servomotor mit Bremse, dem Steuerungssystem und dem Industrie-PC die komplette Kette von der Mechanik bis hin zur Informationstechnik ab, mit dem Ziel, den Einsatz der entwickelten Software im Gesamtsystem aufzuzeigen.

Das entwickelte Softwaresystem ist ein wissensbasiertes System, das aus einem Wissensgraphen, einer Inferenzmaschine und darauf aufbauenden Diensten (Services) besteht. Die Besonderheit liegt in der semantischen Beschreibung und Speicherung der Maschinendaten in einem Wissensgraphen mit Ontologie- und regelbasierter Inferenz. Der Graph dient als Wissensbasis für die Datenanalyse mit Machine Learning.

Data Analytics: Machine Learning zur Störungserkennung

Zur Datenanalyse und Störungserkennung wurde ein spezielles neuronales Netz eingesetzt, ein sog. Adaptives Neuro-Fuzzy-Inferenzsystem zur Ermittlung von Betriebszuständen: In Experimenten wurden Messdaten für die Datenanalyse aufgezeichnet. Mithilfe dieser Daten wurde dann das Neuro-Fuzzy-System darauf trainiert, Störungstypen des Antriebs zu erkennen. Durch die spezielle Struktur des Netzes konnten die Klassifizierungen, also die Entscheidungen des neuronalen Netzes nachvollziehbar gemacht werden.

© Fraunhofer IIS

Der Demonstrator bildet ein Gesamtsystem ab.

Ein Steuerungssystem (SPS) steuert die Bewegung des Servo-Motors über einen Feldbus (CANopen) und steuert ebenfalls einen Druckregler für die pneumatische Bremse. Es bietet eine Web-Oberfläche, auf der das Bewegungsprofil des Motors und das Bremsverhalten der Bremse eingestellt wird. Ein Industrie-PC (IPC), die GreenBox der Schneider Electric GmbH, bildet den Übergang von Industrietechnik (Operational Technology, OT) zu Informationstechnik (IT). Der IPC fragt die Sensormesswerte des Servo-Motors und die aktuelle Bremskraft mittels OPC-UA Protokoll vom Steuerungssystem ab. Der IPC stellt ein Edge-System dar, in dem IIoT-Daten maschinennah vorverarbeitet werden können bevor sie über das Netzwerk an den Wissensgraphen verschickt werden.

Beiträge der Projektpartner am Demonstrator und am Projekt selbst

Mechanik – Antrieb: E. Braun GmbH

  • Demonstrator: Mechanischer Aufbau
  • Projekt: Weiterentwicklung der Teilebereitstellung und der roboterbasierten Bestückung von Hutschienen für die Schaltschrankfertigung

Automatisierung – Steuerung: Mangelberger Elektrotechnik GmbH

  • Demonstrator: Programmierung des Steuerungssystems und Entwicklung der zugehörigen Web-Schnittstelle
  • Projekt: Digitalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Schaltschrankbaus und -betriebs

OT / IT – Schnittstelle: Schneider Electric GmbH

  • Demonstrator: Entwicklung der Schnittstelle zwischen Steuerung und IPC (in Zusammenarbeit mit Mangelberger) und Beratung bzgl. Motorparametern:
  • Projekt: Konzeptionierung und Testen einer CAD-gesteuerten, roboterbasierten Schaltschrankproduktion mit Überwachungsfunktionen (in Zusammenarbeit mit E. Braun und Mangelberger)

Cloud / Software: Fraunhofer IIS

Wissensgraphen und Datenintegration für Industrieanwendungen/Produktionsmaschinen

  • Einsatz von W3C Standards und Open Source-Technologien, z. B. Web of Things
  • Knowledge Graph (Ontologieentwicklung und Inferenz, Aufbau eines Wissensgraphen aus heterogenen Datenquellen, Anbindung von IoT-Geräten)
  • »Knowledge-driven Services«

Datenanalyse mit KI: Einsatz von Machine Learning

  • Machine Learning und Data Science (Entwicklung eines Neuro-Fuzzy-Systems für den Demonstrator zwecks Predictive Maintenance und Anomaly Detection)

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