»Mich fasziniert die Anwendung klassischer Optimierungsmethoden in neuen Kontexten«

Laura Brouer im Interview über ihre Forschung und Rolle als Tutorin der Euro-FH

Liebe Laura stell dich doch bitte mal kurz unseren Studierenden der Euro-FH als Person vor.

Laura Brouer: Mein Name ist Laura Brouer und ich komme aus Nürnberg. Ich bin nicht die »klassische« Mathematikerin, denn ich habe zunächst Lehramt für Mathematik und Psychologie in Eichstätt studiert und einen Bachelor in Psychologie gemacht. Dass mich das Thema »Optimierung« brennend interessiert, habe ich erst während meines Studiums entdeckt. Also habe ich anschließend noch meinen Master in Mathematik an der Universität Erlangen-Nürnberg abgeschlossen. Ich bin ein absoluter Familienmensch, stark in Nürnberg verwurzelt und gerne in der Natur unterwegs.

Du arbeitest bei der Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer IIS in Nürnberg. Was machst du dort genau?

Laura Brouer: Ich bin in der Gruppe »Optimization« in der Abteilung »Analytics« angestellt. Hier beschäftigen wir uns mit mathematischen Optimierungsverfahren in einem Mix aus Forschungs- und Industrieprojekten in unterschiedlichen Anwendungskontexten der Logistik und Produktion. Forschungsprojekte dienen dazu, Methoden der Optimierung in einem bestimmten Anwendungsfall weiterzuentwickeln oder diese in neuem Kontext anzuwenden. Derzeit wirke ich an zwei Forschungsprojekten mit: »BASIC« befasst sich mit einem prozessualen Umsetzungskonzept und der Entwicklung einer Optimierungslösung für die optimierte Bargeldverteilung im Krisenfall. Konkret arbeiten wir an einem Optimierungsalgorithmus, der identifizieren kann, welche Bargeldbezugspunkte in Deutschland in einem Krisenfall am relevantesten sind. Dadurch weiß man zum Beispiel, an welchen Bankautomaten ein Notstromaggregat angebracht werden sollte oder welcher Geldautomat auch im Krisenfall unbedingt beliefert werden muss.

Im Forschungsprojekt »OBER« beschäftigten wir uns mit der Bestandsplanung unter Unsicherheit für einen Großhändler im Bereich Sanitär und Heizung. Hier soll mithilfe eines Algorithmus eine optimale Bestellstrategie entwickelt werden, die Unsicherheit bzgl. der tatsächlichen Nachfrage einbindet. Beispielsweise muss der Großhändler regelmäßig entscheiden, wann und wie viele Waschbecken er einkauft. Wenn hier die falsche Entscheidung getroffen wird, kann es dazu führen, dass zu viel Ware gelagert wird oder zu wenige Waschbecken vorrätig sind und diese nicht weiterverkauft werden können.

Eine Reihe an Industrieprojekten in denen ich tätig bin befassen sich mit dem Management von Wertstoffströmen für Duale Systeme, intern zusammengefasst under dem Begriff »WasteOpt«. Hier beschäftige ich mich beispielsweise mit der Frage, zu welcher Sortieranlage der Müll für ein optimales Müllrecycling gebracht werden soll, um die Kosten zu minimieren und Recyclingquoten einzuhalten. In diesem Themengebiet sammeln wir in der Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer IIS bereits seit über 10 Jahren Erfahrung.

Außerdem beschäftige ich mich mit dem »Bin Packing Problem« und habe die Spedition Simon Hegele beraten, wie sie ihre Pakete optimal beladen können. Das ist ein bisschen wie »Tetris« spielen. Man will möglichst viele Gegenstände in ein Paket packen, muss dabei aber verschiedene Bedingungen berücksichtigen. Bei der Modellierung der Paketbeladung spielen beispielsweise Stapelhöhen, Gewichtsverteilung und Aufrechtlagerung der Gegenstände eine wichtige Rolle.

An welchen Forschungsthemen bist du persönlich besonders interessiert?

Laura Brouer: Das Feld »(Gemischt) ganzzahlige lineare Optimierung« ist für mich sehr interessant. Zwar wird in dem Gebiet schon sehr lange (seit rund 70 Jahren) geforscht, aber die Weiterentwicklung und Anwendung der Methoden in neuen Kontexten ist das was mich fasziniert. An einem Beispiel wird die ganzzahlige lineare Optimierung bestimmt etwas klarer: Ich möchte Brötchen backen, habe aber nur eine bestimmte Menge an Mehl und kann zwei verschiedene Sorten an Brötchen backen. Die Brötchen benötigen unterschiedlich viel Mehl und können zu unterschiedlichen Preisen verkauft werden. Hier stellt sich dann die Frage, wie viele Brötchen welcher Sorte sollte ich backen, um möglichst viel Profit zu machen? Mit einem Optimierungsmodell kann man hier die optimale Lösung finden.

Die »Robuste bzw. stochastische Optimierung« interessiert mich auch. Hier liegt ein deterministisches Optimierungsmodell zugrunde, das um eine Komponente der Unsicherheit (z. B. unsichere Nachfragen) erweitert wird. Ein Optimierungsalgorithmus ist ein Programm, das Probleme löst, eigentlich eine Art Künstlicher Intelligenz. Natürlich braucht das Programm entsprechende Rahmenbedingungen. Ein Grundgerüst (das Modell) wird vorgegeben, aber das Programm ist lernfähig und kann z. B. dann unterschiedliche Gewichtungen vornehmen.

Was begeistert dich an diesen Themenfeldern? Hast du den Umgang mit Zahlen, Daten, Statistiken etc. schon immer geliebt?

Laura Brouer: Jein. Mir wurde in der Grundschule gesagt, ich sei mathematisch nicht begabt. Ich bin dann auf ein Sprachengymnasium gegangen. Aber Mathematik war mein Lieblingsfach in der Schule. Das hat sich während meines Auslandssemesters in Spanien nur noch mehr bestätigt, da ich hier eine Vorlesung zur Optimierung besuchte und mich das so sehr interessiert hat, dass ich anschließend meinen Master im Bereich Optimierung gemacht habe. Heute arbeite ich hier bei der Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer IIS täglich an Optimierungsthemen.

Ich finde Optimierung so spannend, da es für verschiedenste Kontexte genutzt werden kann. Ich finde es beeindruckend, dass man Entscheidungen optimal bzw. mit einer gewissen Güte lösen kann und dadurch einen Mehrwert hat und beispielsweise logistische Prozesse dadurch besser gesteuert werden können.

Wenn du Studierende, die bisher kein Faible für Mathematik haben für das Modul »Modelle und Verfahren zur Planung von Logistiknetzen« (MOPL) begeistern sollst – was sagst du Ihnen?

Laura Brouer: Tatsächlich ist mir die Tutorenbetreuung durch Zufall in die Hände gefallen. Ich engagiere mich, weil ich den Studierenden einen Einblick zum Thema Optimierung geben möchte und vermitteln will, was man alles mit Optimierungsverfahren machen kann. Ich möchte zeigen, dass Optimierung auch cool ist, Mehrwerte generiert und in den verschiedensten Kontexten eingesetzt werden kann. Beim Lernen sollte man sich immer den Praxiskontext bewusst machen.

Ich kann verstehen, wenn man Angst vor dem Modul hat, aber man sollte offen bleiben und sich einfach darauf einlassen. Es ist okay, wenn man nicht sofort alles versteht und viele Fragen dazu hat. Man braucht ein bisschen Durchhaltevermögen. Bei Fragen bin ich über die Online-Plattform der Euro-FH jederzeit erreichbar.

Zur Veranschaulichung des Themas »Optimierung« empfehle ich Tutorials auf You Tube zu suchen.  

Welches wäre dein Traum-Reise-Ziel, wenn Zeit und Geld keine Rolle spielen?

Laura Brouer: Das ist die schwierigste Frage des Interviews. Ich möchte eigentlich alles sehen. Aktuell vielleicht nach Sri Lanka oder Indonesien, aber gerne auch nach Afrika. Am schönsten wäre es für mich den Laptop einzupacken und von überall aus der Welt arbeiten zu können.