Experimentieren im Einzelhandel

Konzepte für einen zukunftssicheren Einzelhandel

Experimentieren im Einzelhandel
© peshkov - stock.adobe.com

Der stationäre Einzelhandel ist eine der Branchen, die am stärksten von den Auswirkungen der Digitalisierung beeinflusst ist. So haben Kunden in den letzten Jahren ihr Einkaufsverhalten signifikant geändert, der Online-Handel wird immer mehr zur direkten Konkurrenz und auch die Innenstädte entwickeln sich in einer Form weiter, dass bisher funktionierende Konzepte auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Was auf den ersten Blick als Bedrohung angesehen werden könnte, birgt aber tatsächlich vielfältige Chancen – Möglichkeiten, die der mittelständische, stationäre Einzelhandel nutzen kann, um sich zukunftssicher aufzustellen.

Ein wichtiger Schritt ist dabei das aktive Experimentieren mit dem eigenen Geschäftsmodell und Wertversprechen. So können die jeweiligen Stärken hervorgehoben oder wieder neu entdeckt werden. Dafür wiederum braucht es echte, übertragbare Inspiration und Orientierung, die zeigt, welche Neuerungen, Änderungen und Innovationen zu nachhaltigem Erfolg führen können.

Deshalb haben die Rid-Stiftung und das Fraunhofer IIS gemeinsam innovative Konzepte im Einzelhandel untersucht: Dabei wurde erforscht, welche dieser Konzepte wirklich »große Würfe« sind, die das Geschäftsmodell substanziell und nachhaltig erfolgreich verändert haben. Die Ergebnisse der Studie sollen dem Einzelhandel Inspiration und Orientierung geben und zu unternehmerischer Experimentierfreude anregen.

Projekt »Experimentieren im Einzelhandel«

Experimentier-Räume und Inspirationen für nachhaltigen Erfolg

Das durch die Günther Rid-Stiftung für den bayerischen Einzelhandel geförderte Projekt erforscht innovative Konzepte im stationären Einzelhandel. Dabei wird insbesondere untersucht, welche eingeführten Neuerungen und Innovationen die Unternehmen nachhaltig verändert und kommerziell erfolgreicher gemacht hat. In einem mehrstufigen Studiendesign wurden entsprechende Konzepte gesammelt, analysiert und mit Fachleuten diskutiert.

»Wir sind begeistert von dem lösungsorientierten Zusammenwirken zwischen Einzelhandel und Fraunhofer. Durch diese Art des gemeinsamen Experimentierens wird aus der Digitalisierung ein wirklich hilfreiches Instrument zur Lösung realer Probleme im Handel«.

Michaela Pichlbauer, Vorständin der Rid-Stiftung

Vorgehen – Auswertung in vier Schritten

Um besonders innovative Konzepte im stationären Einzelhandel zu identifizieren, wurde folgendes Vorgehen gewählt:

  1. Sammeln: Aufbau einer Datenbank mit Einzelhandels-Konzepten
    Durch systematisches Screening von Wettbewerben, Fachzeitschriften und Newslettern ist eine Datenbank mit 306 innovativen, zukunftsweisenden Einzelhandels-Konzepten entstanden.
  2. Analysieren: Identifikation von Top-Konzepten
    Die identifizierten Konzepte wurden einer strukturierten Analyse hinsichtlich des Geschäftsmodells, verwendeter Technologie und Market Readiness unterzogen. 22 von 306 Konzepten wurden als besonders innovativ bewertet.
  3. Bewerten: Begutachtung der Konzepte in Experten-Interviews
    Diese 22 Konzepte wurden in Interviews mit Fachleuten aus Einzelhandel, Städten, Verbänden und Wissenschaft bewertet und diskutiert. 
  4. Evaluieren: Validierung in Experten-Workshops
    Die Ergebnisse aus den vorherigen Schritten wurden in 2 Workshops mit Fachleuten aus Einzelhandel, Städten, Verbänden, Politik und Wissenschaft evaluiert.

Erstes Ergebnis: Eine Inspirationsquelle für innovative Geschäftsmodelle und Entwicklungspfade

So ist eine Studie entstanden, die nicht nur viele Erläuterungen, Ideen und Lösungsvorschläge für neue Geschäftsmodelle und Services bereithält, sondern auch konkrete Entwicklungsschritte für die Unternehmen aufzeigt. Am Beispiel von einzelnen, erfolgreichen Konzepten werden Entwicklungsschritte dargelegt, die diese Unternehmen in Konzeptionierung und Umsetzung gegangen sind.  

© Judith Embacher/sukato GmbH
Einordnung der 22 bestbewerteten Einzelhandelskonzepte zur Identifikation von Trends bzw. Entwicklungspfaden für den Einzelhandel.

Die Grafik zeigt eine Einordnung der 22 bestbewerteten Einzelhandelskonzepte. Diese Einordnung erfolgte anhand der Leitfragen »Inwiefern ist das Konzept auf andere Warengruppen übertragbar?« und »Inwiefern ist das Konzept visionär?« Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass einige Konzepte – so unterschiedlich sie auch realisiert sind – ähnliche Ansätze verfolgen. Daraus lassen sich sechs große Trends bzw. Entwicklungspfade für den Einzelhandel identifizieren:

  • Erlebnisorientierung
  • Omnichannel
  • Self-Checkout
  • 24-Stunden Öffnungszeiten
  • Digital unterstützte Customer Journey
  • Nachhaltigkeit

Viele der Ansätze kombinieren mehrere Trends zu stimmigen Gesamtkonzepten. Die Cluster zeigen daher vielversprechende Entwicklungspfade, die einzelne Unternehmen bezüglich der Vereinbarkeit mit dem eigenen Geschäftsmodell genau prüfen sollten. Die jeweiligen Einzelhandelskonzepte bieten wiederum Inspirationen zu unterschiedlichsten Realisierungsmöglichkeiten.

Zweites Ergebnis: Leistungskatalog für eine erfolgsfördernde Innovations-Infrastruktur

Für die Realisierung von innovativen Konzepten im stationären Einzelhandel braucht es aber auch handfeste Unterstützung. Dem E-Commerce steht im direkten Vergleich eine Bandbreite an Förderinfrastruktur zu Verfügung, wie Inkubatoren, Accelerator-Programme und Risikokapitalgeber. Für den stationären Einzelhandel hingegen ist eine vergleichbare Infrastruktur bis heute nur in Ansätzen vorhanden. Deshalb wurde gemeinsam mit Innenstadt-Akteuren und -Akteurinnen aus Einzelhandel, Politik und Forschung ein Konzept für eine Innovations-Infrastruktur erarbeitet, die folgendes leisten müsste.

  1. Niederschwellige und schnelle Weiterbildungs-Formate anbieten.
  2. Bei der Entwicklung klarer und individueller Leitbilder für den Einzelhandel unterstützen.
  3. Einen Experimentier-Raum bereitstellen und bei der Umsetzung helfen.
  4. Juristischen Spielraum schaffen.
  5. Innovation kommunizieren und Reichweite generieren.
  6. Hilfestellung bei der Selektion geeigneter Technologie geben.
  7. Wissen bereitstellen und die Wissenschaft näher an den Einzelhandel bringen.
  8. Den Einzelhandel als Teil der Innenstadt denken und gestalten.

Um diesen Leistungskatalog umzusetzen, müssen verschiedene Akteure zusammenwirken, wie Städte, Verbände, Wissenschaft, Fördermittelgeber und der Einzelhandel selbst. Die im Rahmen dieser Studie geführten Gespräche stimmen aber zuversichtlich, dass sich eine solche Infrastruktur verwirklichen lässt.

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